Verlag für widerständige Literatur 

"Realität ist für die Fantasielosen" Karin Kramer 

Presse

Sÿstemrelevanz und Lumpenïntelligenz

Am Samstag wurde in Berlin der anarchistische Dichter Bert Papenfuß beerdigt. 2020 erschien sein letztes Buch, auf das wir noch einmal hinweisen: politisch-literarisch-ironische Betrachtungen seines Alter Ego Sepp Fernstaub als »Schriften aus dem Vorlaß« unter dem Titel »Süstemrelevanz & Lumpenïntelligenz«, erschienen im Quiqueg-Verlag, dem Nachfolger des ebenfalls anarchistischen Karin Kramer Verlags. Darin findet sich allerhand lyrisch-lustige Politakrobatik von verspielter Preziosität. Als programmatische Selbstauskunft auch folgende »Faustregel« im Stil eines Kleinkinderspiels: »Wahlboykott ist der Daumen/ Generalstreik schüttelt die Pflaumen,/ Volksbewaffnung sammelt alle zusammen,/ Machtvernichtung bringt Volkseigentum nach Haus/ und der kleine Neuanfang, er teilt alles gleichmäßig auf./ Statt zerstreuen, flanieren, zentrieren, vernichten, verlieren:/ ausschwärmen, umherschweifen, sammeln, zuschlagen, siegen./ Und was man partout nicht brechen kann, muß man eben biegen.« Dazu gibt es – wie so oft bei Papenfuß – eine Fußnote, die »Mitschrift eines kollapsologischen Fingerspiels des Komödianten Tatanka Yotanka«, in der erläutert wird, mit welchen Handzeichen dieses Gedicht vorzutragen ist, zum Schluss sollen beide Fäuste gereckt werden.

Annotiert, Letztes Buch von Papenfuß, in: nd Der Tag Nr. 237 vom 12. Oktober 2023, S. 13

Sach nicht Prenzlberg

Gedichte zu verlegen ist ein hartes Geschäft. Das gesellschaftliche Interesse an Dichtung ist gering, was sich wiederum in den Verkaufszahlen widerspiegelt. Viele Verlage lassen deshalb vorsorglich die Finger davon – und überlassen es weitgehend kleinen Verlagen, dies zu tun. Einer jenen kleinen Verlage, die u.a. einen Schwerpunkt auf Gedichte legen, ist der 2015 gegründete Quiqueg Verlag, der sich ein Stück weit in der Tradition des nach Tod des Verlegerpaares eingestellten Karin Kramer Verlages sieht. Mehrere Gedichtbände von Verlagsleiter Hermann Jan Osster erschienen damals beim Kramer-Verlag.
Nun hat er selber einen ehemaligen Autor des Kramer-Verlages im Programm – Jochen „Knobi“ Knoblauch. Von ihm hat er das Langgedicht „Sach nich Prenzlberg“ herausgegeben, in dem sich der Autor, ein alter Westberliner, unter dem Rückgriff auf viele literarische Texte gegen die Glorifizierung des Prenzlauer Bergs freischreibt.

Maurice Schuhmann, Sach nicht Prenzlberg und andere gute Literatur, in Cultureglobe , Montag, Juli 01, 2019

Ätna Eiland Erika Knast

Ebenfalls neu erschienen sind fünf Stücke der in Berlin lebenden Dramatikerin Christine Sohn. Sie gehört zu jenen Autor*innen, die politisch Stellung beziehen und im Sinne von P. P. Zahl „eingreifende Literatur“ verfassen. So heißt gleich der erste Text von ihr „Selbstbefragung im Krieg“ und auch der abschliessende Text „Knast“. Letzterer wurde als szenische Lesung im (fast) vergessenen Tacheles uraufgeführt.

Maurice Schuhmann, Sach nicht Prenzlberg und andere gute Literatur, in Cultureglobe , Montag, Juli 01, 2019

Natürliche Auslese

"Von Alfred Hitchcock ist überliefert, dass er – auf der Suche nach Inspiration für seine kinematografischen Angstopern – gern die Zeitungsrubrik „Vermischtes“ durchkämmte. Tatsächlich lassen sich aus den da versammelten tragischen Bagatellen mitunter abendfüllende Einsichten in Abgründe aus Selbstüberschätzung, Überheblichkeit oder schlichter Dummheit zaubern. (...) und damit wären wir wieder beim „Vermischten“: Behnke hat sich in Natürliche Auslese den Preziösen aus dieser Rubrik angenommen. Über Jahre sammelte er meist letal endende Nachrichten zusammen und erzählte die jeweilige – erfundene – Vorgeschichte dazu. Da er seine Auswahl auf das Jahr 1999 beschränkt, entsteht der Reigen eines Abgesangs auf das 20. Jahrhundert. So spielt die Neuköllner Episode konsequenterweise in der Silvesternacht und gehört, was Abgrund, Unachtsamkeit und Blutzoll angeht, zu den verheerendsten. Die meisten Protagonisten haben den 1. Januar 2000 nicht mehr erlebt und bleiben deshalb gänzlich Figuren einer vordigitalen, nun untergegangenen Epoche.
Aus heutiger Sicht ist erstaunlich, wie lange das nun schon alles her ist. Behnke schafft es aus dem sicheren Abstand von 18 Jahren, einen seltsam metaphorischen Blick in eine Zeit vor metastasierenden Falschmeldungen, normiertem Individualismus und entfesseltem Narzissmus zu werfen. Dafür sind diese Tragödien authentisch individuell und wurden seinerzeit noch nicht von der heute grundsätzlichen Hysterie ausgeschlachtet oder instrumentalisiert. Wahrlich ein Filmstoff. Behnke hat der Filmbranche einen echten Gefallen getan. Roy Andersson würde daraus eines seiner Meisterwerke machen."

Marc Ottiker, der Freitag | Nr. 31 | 2. August 2018

"Wer liebt es nicht, den inneren Schweinehund mal freien Lauf zu lassen und sich köstlich über die Dummheit der anderen zu amüsieren? Ich mache das besonders gern, wenn ich in der Zeitung mal wieder eine Nachricht über jemanden lese, der auf bizarrer Weise und aufgrund von unglaublicher Dummheit zu Tode gekommen ist: Die Eisfischer, die das Eis mit Dynamit aufbrechen, nur, um selbst Opfer zu werden, weil der Hund das Dynamit brav apportiert, oder ähnliches. Solche Fälle lesen wir immer wieder und können nicht glauben, wie dumm die Menschen sind – und wie klug wir sind! Nur: So dumm sind die Menschen gar nicht. Was wir in solchen Meldungen eben nicht lesen, ist die Hintergrundgeschichte – die Geschichte, die, wenn man sie richtig erzählen würde, gar nicht so dumm klingt, sondern einfach nur menschlich – tragisch menschlich.
Frank Behnke (in der Berliner Film- und Musikszene hat er einen Ruf als Tonmeister, Cutter und Regisseur) hat zehn reale Fälle von „dummen Todesfällen“ aus Zeitungen gesammelt und ihnen die fehlende Hintergrundgeschichte dazu gedichtet: Wie es wirklich dazu kam, was sich die Todesopfer dabei dachten, etc. Das Schöne ist Behnkes Einfühlungsvermögen in Menschen, die er – außer dem kleinen Zeitungsschnipsel – nicht kennt. Sie erscheinen hier als normale Menschen mit nachvollziehbaren und berührenden Motiven. Wie bei einem Krimi ist man gespannt und man leidet mit den Todesopfern mit, während sie ihre Pläne machen, die – wir wissen es – zu ihrem Tod führen werden. Die Geschichten sind nicht nur menschlich und spannend, sie sind auch eine Art nachgereichter Nachruf auf diese Menschen, die wirklich lebten und mehr verdient haben als eine spaßige Kurzmeldung in der Zeitung.
Allein diesen Dienst an die ungenannten Todesopfer und an uns als Leser ist Grund genug, diesen schönen kleinen Band von berührenden, spannenden und zum Nachdenken anregende Kurzgeschichten zu lesen."

Eric T. Hansen, The Hula Ink Blog , April 19, 2018.

Das Gasthaus zum letzten Yeti

"Bernd Kramer war Autor, Herausgeber, Trinker und Anarchist. Er starb 2014, ein halbes Jahr nach seiner Ehefrau, der Verlegerin Karin Kramer. Seine Streitbarkeit war berüchtigt, seine Ideen und Einfälle an den Kneipentischen legendär. (...) Neben der großen Expedition geht es um substantielle Themen wie »Backen ohne Mehl«, Günter Grass, links- und rechtsdrehende Hakenkreuze und die Frage, warum der Adamsapfel seinen Namen zu recht trägt. (...) Für mich, der Bernd und Karin Kramer seit den 1970er Jahren kannte, ist dieses Buch ein wahres Geschenk, denn hinter jeder Zeile taucht das Gesicht von Bernd Kramer auf, dieses Doppelporträt von Bakunin/Kramer. Er trinkt lachend sein Bierchen."

Jochen Knoblauch, Ein letzter Gruß von Bernd Kramer, Junge Welt, Ausgabe vom 7.10.2017, Seite 11

Staatenlose Insekten

"...Wollen Gedichte, will Sprache über das Bestehende hinaus, müssen sie zuerst ihrer Verflochtenheit in das Bestehende gewahr werden. Insofern sind Pohls Gedichte Aufklärung. Sie suchen kompromisslos in der Sprache das Falsche, Positionen, die Sprache an das ketten, was sie überwinden will. Und sie betreiben dieses Geschäft mit Humor. Und Humor heißt bei Pohl das Aufzeigen der Absurditäten der Situation, wie diese zu Tage tritt und sprachlich formen."

Jan Kuhlbrodt, Signaturen

"In dem Berliner »Revolverblatt« TorTour schrieb Kai Pohl vor rund zehn Jahren: »Wenn die Wirklichkeit ein finsterer Horrorladen am Rande des Hades ist – dann müssen wir festhalten: ›Diese Wirklichkeit ist nicht außer uns, sondern in uns. Sie ist nicht lesbar, aber gleichwohl müssen wir versuchen, sie zu entziffern.‹« Nun heißt es bei Pohl: »Folge der Losung der Tiere. / Sie scheißen auf den Staat. (...) Generäle, / bis auf den einen, der Streik heißt, / gehen mir am Arsch vorbei.« Pohl kann Gedicht (Dementi inklusive) und Cut-up: »Abneigung schlägt um in Aneigung« und »Leben ergibt keinen Sinn, wenn nicht / als stimmig geklaute Geschichte«."

Jürgen Schneider, Junge Welt , Ausgabe vom 29.06.2016, Seite 11

„…Kai Pohls Gedichte sind in ihrer Lyrik direkt, manchmal mit Anmerkungen, und immer poetisch in all seinen Themen. Es mag nicht Aufgabe von Lyrik sein, aber manchmal ist er auch weise. (…) ...aber das Quäntchen Widerstand gehört (fast) immer dazu… Sie riechen noch etwas, aber das soll kein Manko sein, nach „Osten“, aber sie schmecken nach Weltläufigkeit. Kai Pohl hat sich freigeschrieben. Für ihn braucht es keinen Vergleich. „Ich sollte meine ungeduld / den wolken überlassen / den worten und dem licht.“

Jochen Knoblauch, Neues Deutschland

El Dorado, One Way

"...Gereimte Verse hätten zu glatt oder eben zu stilisiert gewirkt, unpassend für die "Abrechnung" als die MENSCH AUS ERDE ausdrücklich bezeichnet wird. Das Ich in Oosters Tiraden mag angegriffen sein, aber es greift auch an... Das Bild der Liquidatoren, die in Plastikfolie verpackte Erde in der Erde begraben, bleibt dem Leser als eindrucksvolles Symbol rettungsloser Absurdität noch lange in den Knochen.
Als nach wie vor aktueller Kommentar zum Pflegenotstand - aber auch ganz einfach: als tolles Gedicht - sei UNTERM SAUERSTOFFZELT zur Lektüre empfohlen. Die Einzelheiten, Handgriffe, Gerätschaften der Arbeit, der Krankenhausalltag gehen authentisch in das Gedicht ein, aber sie erscheinen wie im Traum. Anders als in MENSCH AUS ERDE, gestattet sich Ooster in UNTERM SAUERSTOFFZELT kleine Reime, die die Verse strukturieren (ähnlich den Wiederholungen, die durchweg intensievierend wirken).
Man würde das Gedicht gerne mal vorgetragen hören".

Meinolf Reul, Der HOT LIST BLOG

Kleines Lexikon der Bauphilosophie

"Das Lexikon ist eine Gemeinschaftsproduktion der drei Bauphilosophen Kerl Fieser, Hermann Jan Ooster und Eckhart Triebel. Die Idee dazu entstand auf einer Baustelle im Jahr 1999 in Berlin. Sie wollten dabei nicht trocken Beschreibungen zu bautypischen Begriffen abgeben, wie man sie in jedem beliebigen normalen Lexikon nachlesen kann, sondern eher ihre persönlichen Erfahrungen aus einem Vierteljahrhundert Tätigkeit auf dem Bau wiedergeben, gewürzt durch die individuelle Wahrnehmung des ganz normalen Baualltags. Die Einträge enthalten teils witzige, teils sachliche, teils philosophische Betrachtungen oder auch völlig frei erfundene Behauptungen, die zwar plausibel klingen, aber auch wahr sein könnten."

Fraunhofer Institut, Stuttgart

"– ein Muss für Bewohner großer Städte und ländlicher Regionen, in denen spektakuläre oder gewöhnliche Baumaßnahmen nicht zum Ende kommen, und wenn doch, dann nur nach rätselvoller Explosion der ursprünglich taxierten Kosten. Kurzum: ein Buch für alle, die in Stadt und Land, direkt oder indirekt, mit der Baumafia zu tun haben, aber auch ein Buch für Leute, die ganz friedlich in ihrer Altbauwohnung herumwerkeln und dabei staunenswerte Entdeckungen machen."

Meinolf Reul, Der HOT LIST BLOG

"Agitation mit dem Zollstock"
"Wem das (...) »Philosophische Wörterbuch« nicht philosophisch und das »Historisch-Kritische Wörterbuch des Marxismus« nicht marxistisch genug ist, dem sei das handliche und daher auch baustellentaugliche Nachschlagewerk ans Herz gelegt. Spätestens nach der Lektüre kennt jeder »Amateur« den Unterschied zwischen »Auslegeware« und einem »Teppich«, weiß, dass der »Dachausbau« ein teures Unterfangen sein kann, hat von der »Dämm-Mafia« gehört und ist in der Lage das Phänomen der »Ausbeutung« mit einfachen Worten zu erklären..."

Thomas Wagner, Junge Welt , Ausgabe vom 11.02.2016, Seite 10

Ich, Medea

"Ich, Medea [ist eine] geradezu lautmalerische Erzählung über den Hang zur Widerständigkeit, zur Verneinung, wenn ein "Ja" Selbstverleugnung bedeutete. Neben seiner Offenheit für das Mögliche zeichnet sich Behnkes Lebenslauf eben auch dadurch aus, dass er an den - für ihn - richtigen Stellen "Nein" sagen konnte."

Ralf Krämer, "Vorrang hat immer die Kunst", in der taz Berlin vom 2.4.2015 (Link )

"... Wenn ich das lese, habe ich Bibiana Beglau in Schlöndorffs Die Stille nach dem Schuss vor Augen. Dieselbe gespannte Ruhe. Der Verlag bescheinigt dem Buch eine „scheinbar träumende, bildhafte Sprache”. Davon kann man sich anhand einer – längeren – Leseprobe selbst überzeugen – traut man einem visuell denkenden Künstler aber sowieso und unbesehen zu."

Meinolf Reul, Der HOT LIST BLOG

"Mit dem finsteren Stoff seines Romans Ich, Medea wagt sich Frank Behnke an eine der in der abendländischen Kunst meistgestalteten Frauenfiguren. [...] Der Kunstgriff, die Gleichzeitigkeit von intimistischer Nähe zur Figur und der durch das sprechen von ihr in der dritten Person erzeugten Distanz, ist das ideale Stilmittel, um der Janosköpfigkeit Medeas gerecht zu werden. Denn sie ist beides: Monster und Mädchen, Femme fatale und Femme fragile, bedrohliche gebärende und verschlingende Große Mutter und verlorenes motherless child, hypersensibilistisch und roh."

Thomas Hübener, spex no 363 , September 2015, S. 79 f. Zur vollständigen Rezension gehts hier lang .

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